Der Biofilm ist eine der komplexesten Strukturen in der Mikrobiologie und daher auch sehr schwer zu entfernen, insbesondere mit herkömmlichen Mitteln. In diesem Blog geht unser Mikrobiologe Reinoud Homan in die Tiefe und erklärt wissenschaftlich, was Biofilm wirklich ist und was zu tun ist, wenn Antibiotika nicht mehr helfen.
Biofilme sind ein ungewöhnliches Phänomen in der Natur. Im Gegensatz zu den meisten Mikroorganismen in unserer Umwelt ist der Biofilm mit bloßem Auge zu erkennen. Beispiele dafür sind eine glitschige Schicht auf dem Duschboden, schleimige Ablagerungen in einer Wasserleitung und Zahnbelag (siehe Abbildung 1). Eine unzureichende Kontrolle führt wiederum zu weitreichenden Problemen wie einer zunehmenden Antibiotikaresistenz von Mikroorganismen. In diesem Blog wird ausführlich erklärt, was Biofilm ist und wie er sich auf Menschen und Tiere auswirkt.
Wenn man von Mikrobiologie spricht, meint man oft Bakterien, während das mikrobiologische Spektrum viel breiter ist. Dazu gehören Organismen wie Algen, Protozoen, Hefen und Schimmel. Weitgehend unbekannt ist jedoch, dass diese Mikroorganismen, ebenso wie größere Organismen, Teil komplexer Biostrukturen in einem Ökosystem sein können (1). Ein Biofilm ist eine solche Struktur, eine organisierte Gruppe von homo- oder heterogenen Mikroorganismen, die in einer selbst produzierten Matrix aus Exopolysacchariden (EPS) leben (2).
Biofilme kommen in fast jeder Umgebung auf der Erde vor, die mit Wasser in Berührung kommt: Im Gewebe ebenso wie auf festen und flüssigen Oberflächen (3, 4). Bakterien können sich durch Biofilmbildung an Umweltbedingungen anpassen (5). So wurden beispielsweise Biofilme in extrem sauren (pH 1) Umgebungen gefunden (6), und die Biofilmbildung bietet Bakterien unter anderem Schutz vor Antibiotika (4).
Bildung von Biofilmen
Die Biofilmbildung erfolgt in fünf Schritten: Reversible Adhäsion, Irreversible Adhäsion, Reifungsstufe 1, Reifungsstufe 2 und Verbreitung (7, 8). Im ersten Schritt heften sich lose (planktonische) Mikroorganismen durch physikalische Kräfte oder zelluläre Anhängsel wie Geißeln oder Pili an eine Oberfläche (siehe Abbildung 2) (9). Viele dieser Zellen lösen sich jedoch auch ab und spielen bei der Biofilmbildung keine Rolle. Der zweite Schritt des Verfahrens ist durch den Kontakt zwischen den Mikroorganismen gekennzeichnet. Mit Hilfe von Adhäsinen (z. B. Exopolysacchariden) bildet sich ein mehrschichtiger Biofilm, in dem die Mikroorganismen an der Oberfläche aneinander haften (9). Dadurch kann der Biofilm dem Druck von außen, z. B. dem Wasserfluss, besser widerstehen.
Ab diesem Zeitpunkt tritt ein besonderer Effekt auf: Die normalerweise solitär lebenden einzelligen Mikroorganismen interagieren und entwickeln angepasste Reaktionen auf äußere und innere Reize (10). Dies wird durch eine Vielzahl von Signalsystemen ermöglicht, darunter Quorum Sensing und sekundäre Botenstoffe (11). Während der Reifung entwickelt der Biofilm eine komplexe Architektur mit Kanälen, Poren und einem sich radikal verändernden Phänotyp: Die Mikroorganismen spezialisieren sich je nach ihrem Standort im Biofilm. In reifen Biofilmen von Pseudomonas aeruginosa zeigen bis zu 50 % des Proteoms und einen mindestens sechsfachen Unterschied in der Ausprägung im Vergleich zu planktonischen Zellen (7).
Während des zweiten Reifegrades wächst die Mikrokolonie bis zu einer Dicke von etwa 100 µm. Diese Mikrokolonien bestehen aus verschiedenen mikrobiellen Gemeinschaften, die auf komplexe und koordinierte Weise funktionieren. Zum Beispiel durch den Austausch von Substraten, die Verteilung von Stoffwechselprodukten und die Beseitigung von toxischen Endprodukten (12). In diesem Reifungsschritt wird der Biofilm durch Manipulation seiner Struktur, Physiologie und seines Stoffwechsels an die äußere Umgebung angepasst.
Im letzten Schritt breitet sich der Biofilm aus und kann sich an neuen Stellen ansiedeln. Die mikrobielle Gemeinschaft innerhalb des Biofilms baut die stabilisierenden Polysaccharide ab und setzt die Bakterien auf der Oberseite des Biofilms frei (13). In diesem Schritt wird die Produktion von Geißel-Proteinen hochreguliert, so dass die freigesetzten Mikroorganismen beweglich werden (14). Es handelt sich wiederum um lose (planktonische) Mikroorganismen.
Auswirkungen
Die Bildung eines Biofilms bietet den Mikroorganismen in einer ungünstigen Umgebung viele Vorteile und eine Überlebenschance, wenn dies im Plankton nicht der Fall ist. Biofilme schützen Mikroorganismen u. a. vor UV-Strahlung, pH-Stress, Chemikalien, Phagozytose, Dehydrierung und Antibiotika (15). Das Auftreten von Biofilmen stellt in verschiedenen Bereichen weitreichende Probleme dar und verursacht die Ausbreitung von Mikroorganismen, Toxinen und anderen Verbindungen. Dazu gehören Infektionen durch Prothesen und chronische Wunden im medizinischen Bereich (16,17), Biokorrosion in Gas- und Ölpipelines (18), Gingivitis und Karies in der Zahnmedizin (19) und Gesundheitsrisiken in Trinkwassersystemen (20).
Viehzucht
In der Tierhaltung stellt der Biofilm ein großes Risiko für die Tiergesundheit dar. Das Fehlen einer obligatorischen Überwachung der Wasserqualität an der Trinkwasserentnahmestelle und das tolerierte Vorhandensein von 100.000 Bakterien pro Milliliter tragen dazu bei, dass das Trinkwasser eine direkte Quelle für die Kontamination mit Krankheitserregern wie Brachyspira, E. coli, Salmonellen, PED-Virus und Rotavirus sein kann. Auch andere Krankheitserreger beeinträchtigen die Wasserqualität; viele sind koinfektiös und es wurde sogar nachgewiesen, dass Actinobacillus (APP) und Streptokokken in der Wasserversorgung Biofilme bilden (21,22).
Kontrolle
Die Entfernung von Biofilmen wird durch ihre Resistenz gegen herkömmliche Pestizide wie UV-Strahlung und Antibiotika verkompliziert (siehe Abbildung 3). Darüber hinaus können Mikroorganismen in Biofilmen ein höheres Maß an Virulenz und Pathogenität aufweisen als im planktonischen Zustand, wie im Fall von P. aeruginosa(23) gezeigt wurde. Wirksame Strategien zur Entfernung von Biofilmen beruhen daher darauf, dass Mikroorganismen daran gehindert werden, sich auf einer Oberfläche festzusetzen, und dass Verbindungen verwendet werden, die die Biofilmbildung stören und/oder den gebildeten Biofilm degenerieren und abtöten können (24,25).
Aufgrund der Vielfalt der Mikroorganismen in einem Biofilm ist es daher wichtig, dass ein Biozid gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen wirksam ist und dazu im gesamten Wasserversorgungssystem aktiv ist. Ein wirksames Biozid in Wassersystemen erfüllt die TNO-Anforderungen gemäß dem Protokoll NEN-EN 13623:2010.
Zusatzstoffe wie Säuren und Chemikalien sind daher oft keine gute Maßnahme zur Entfernung von Biofilmen;
Eine gute Alternative sind elektrochemische Desinfektionssysteme, die für die Wasseraufbereitung entwickelt wurden. Diese Systeme produzieren in situ elektrochemisch aktiviertes Wasser, freie Chloride aus einer gesättigten Salzlösung und die direkte Produktion von Oxidationsmitteln und freien Sauerstoffradikalen aus Wasser (33-37). Die elektrochemische Technologie ist gegen ein breites Spektrum von Mikroorganismen, einschließlich Bakterien, Schimmeln, Viren und Algen, wirksam und erfüllt die Anferderungen der TNO (28, 38, 39). Weitere Vorteile sind die Umweltfreundlichkeit, die Sicherheit, die geringen Kosten, die einfache Anwendung und ein stets frisches Produkt.
Kontrolle
In allen Fällen sollte die mikrobiologische Qualität des Trinkwassers sowohl vor als auch nach der Anwendung eines Biozids gemessen werden, um die Wirksamkeit nachzuweisen. Die Wasserqualität wird in der Regel anhand der Gesamtzahl der Keime pro Milliliter und der Anzahl E. coli pro Milliliter gemessen, doch sind umfangreichere mikrobiologische Untersuchungen erforderlich, um die Abwesenheit anderer Mikroorganismen, wie z. B. Schimmel, nachzuweisen.
GGutes Trinkwasser ist frei von Krankheitserregern, und die Abwesenheit von Biofilm kann nach den derzeitigen Tests nur bei vollständiger Abwesenheit aller Arten von Mikroorganismen garantiert werden.
R.M. Homan, MSc
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